Erschienen am 11.01.2013
WAZ – Der Westen
NRW-Verkehrsminister Michael Groschek sieht einen enormen Nachholbedarf für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Doch für notwendige Modernisierungen fehlen 1,1 Milliarden Euro. Der Verteilungsschlüssel für die Bundesmittel müsse gerechter werden, sagt Groschek.
Das „Pendlerland Nr.1“ Nordrhein-Westfalen will sich bei Verkehrsinvestitionen nicht länger vom Bund aufs Abstellgleis schieben lassen. Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) hat am Freitag einen unverantwortlichen Investitionsstau im Öffentlichen Nahverkehr an Rhein, Ruhr und Weser beklagt.
Allein bei den U-Bahn- und Straßenbahnsystemen in den Städten fehlten nach einer aktuellen Studie bis zum Jahr 2016 rund 1,1 Milliarden Euro, sagte Groschek bei der Vorlage eines Zwischenberichts der ÖPNV-Zukunftskommission.
Die Zukunftskommission setzt sich aus Vertretern der drei Nahverkehrsverbände (VRR, Rheinland, Westfalen), der Kommunen, der Unternehmensverbände des Verkehrsclubs Deutschland, des Fahrgastverbandes Pro Bahn sowie mehrerer Universitäten zusammen. Im Herbst 2013 soll ihr Endbericht vorliegen.
Nach einem Gutachten des Berliner Rechtswissenschaftlers Christian Waldhoff ist der Verteilungsschlüssel der Regionalisierungsmittel des Bundes „in der jetzigen Form ungerecht“. Danach stellt der Bund dem Land Nordrhein-Westfalen nur 15,7 Prozent der Fördergelder zur Verfügung – obwohl 21,8 Prozent der Bundesbürger hier leben.
Unterfinanziert seit 15 Jahren
Auch die Vorsitzenden der Zukunftskommission, Gisela Nacken und Wolfgang Röken, sehen Nordrhein-Westfalen vom Bund massiv benachteiligt. Bei Anwendung des Einwohnerschlüssels stünden dem Bundesland statt 1,1 Milliarden künftig 1,5 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel im Jahr zu.
Minister Groschek verwies auf die so genannte „Daehre“-Studie, wonach der Verkehrssektor in ganz Deutschland seit 15 Jahren um jährlich 7,2 Milliarden Euro unterfinanziert ist. Die Folge seien marode Brücken nicht nur auf der Autobahn 1 und der Autobahn 45, gesperrte kommunale Brücken sowie marode Bundes- und Landesstraßen. Ohne ein Programm „Wir reparieren Deutschland“ genügten einzelne Regionen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr dem Anspruch einer Exportnation, warnte Groschek. Problematisch ist allerdings: Die Landesregierung hat den Verkehrsetat für 2013 gerade um 21 Millionen Euro gekürzt.
Der Bund will ab 2014 gar nichts mehr zusteuern
Der Minister pochte darauf, dass Nordrhein-Westfalen einen „verfassungsmäßigen Rechtsanspruch“ auf mehr Geld aus den beiden Fördertöpfen des Bundes für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) und die Finanzierung kommunaler Straßen und Radwege habe. „Die bedarfsbezogene Verteilung der Mittel duldet keinen weiteren Aufschub“, sagte Groschek.
Derzeit streiten die Länder mit dem Bund, der die Mittel für ÖPNV und kommunalen Straßenbau von 1,34 Milliarden Euro – 260 Millionen Euro an NRW – nur noch bis 2014 zahlen will. Stattdessen verlangen die – Länder eine Aufstockung auf zwei Milliarden Euro im Jahr.
Hoher Mobilitätsbedarf
Der FDP-Verkehrsexperte Christof Rasche verwies darauf, dass der jetzige Verteilungsschlüssel unter dem damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) festgelegt worden sei. Grünen-Experte Rolf Beu hält die Benachteiligung des Landes angesichts der höchsten Bevölkerungsdichte mit hohem Verkehrsaufkommen für nicht hinnehmbar.
Groschek verwies auf den hohen Mobilitätsbedarf der Bürger in NRW. Die alten Verteilungsschlüssel von 1993 seien überholt. Nach der Wiedervereinigung sei die Verkehrsinfrastruktur im Osten der Bundesrepublik aufgebaut worden. Jetzt aber seien große Teile der Verkehrssysteme des Westens in einem maroden Zustand.
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