Landtag

Der ÖPNV muss gerecht finanziert und organisiert sein!

Rede Rolf Beu am 5. April 2017 im Landtag NRW zum TOP 10, Bus und Bahn fahrscheinfrei, Antrag der Fraktion der Piraten, Drucksache 16/14383. Es gilt das gesprochene Wort. Hier können Sie sich das Youtube-Video anschauen.

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Bündnis 90/Die Grünen setzen beim Thema Mobilität auf gute Angebote und Freiwilligkeit. Jederzeit überall einfach hin in NRW ist unser Credo. Zum Beispiel für 2 Euro am Tag landesweit mobil sein können mit dem ÖPNV.

Die Piraten dagegen haben eher Muss-Vorstellungen. Davon zeugt der vorliegende Antrag, den wir heute beraten. Darum sehen wir Grüne diesen Antrag kritisch.

Doch leider wird das eine mit dem anderen in der Diskussion vermischt. Dabei sind die Unterschiede ganz klar zwischen der Zwangsfinanzierung, was die Piraten fordern, und den Grünen Vorstellungen von Mobilität ermöglichen. Einige wichtige Unterschiede will ich benennen, um zu zeigen, wieso wir Grüne den Antrag der Piraten kritisieren.

Das ist zum ersten: Zwang versus Freiwilligkeit

In der Mobilität hat man einige Zeit von Push- und Pull-Maßnahmen gesprochen. Per Push-Methoden werden die Verkehrsteilnehmenden zu positivem Handeln gezwungen. Mittels Pull-Methoden werden sie dazu innerlich motiviert. Ein Beispiel: Weniger Parkplätze am Arbeitsort machen es attraktiver, den ÖPNV zu nutzen. Ein Fitnessrabatt der Krankenkasse kann Werktätige dazu veranlassen, öfters mal zur Arbeit zu radeln.

Wir Grüne haben einige Erfahrung mit der Frage, wie man richtig zu einem für Mensch, Umwelt und Natur sinnvollen Verhalten motiviert. Genau deswegen sind wir hier – allen Vorurteilen zum Trotz – besonders zurückhaltend, wenn Menschen zwangsbeglückt werden sollen.

Zum Zweiten: Die Rechtsfrage

Auch manche Grüne denken über den ticketlosen Nahverkehr nach. Das richtige Ergebnis lautet aber: Wenn man sowas überhaupt machen möchte, dann müssen erst auf der Bundesebene die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Ich bin ansonsten mehr als skeptisch, ob ein Testversuch so rechtlich zulässig wäre.

Zum Dritten und die Gretchenfrage: Die Gerechtigkeitsfrage

Nun sind wir beim zentralen Problem. Die Piraten fordern, die Bürgerinnen und Bürger einer geeigneten nordrhein-westfälischen Stadt zu beglücken mit einer ÖPNV-Zwangsabgabe. Sowas gibt es zum Beispiel mit dem Rundfunkbeitrag für die öffentlich-rechtlichen Sender. Auf den verschiedenen Übertragungskanälen kann jede Bürgerin und jeder Bürger deren TV-Angebot nutzen. Dennoch ist das Gebührenmodell umstritten in der Bevölkerung. Ich meine sogar mich zu erinnern, dass besonders die Piraten es wenig mögen, aber da irre ich mich bestimmt.

In ihrem Antrag werden sie konkret. Denn sie zählen als geeignete Teststädte Bad Salzuflen, Recklinghausen und Wuppertal auf. Das finde ich sehr gut. Doch konkret denken bedeutet auch: Einwohnerinnen und Einwohner in der Recklinghauser Innenstadt sollen für den ÖPNV genauso viel zahlen wie die des Heiligenkamp im Becklemer Busch oder die von Haltern am See. Dabei sind die Möglichkeiten denkbar unterschiedlich, den ÖPNV nutzen zu können!

Wir haben also eine Gerechtigkeitslücke bei dem Modell Zwangsabgabe der Piraten. Wenn alle zahlen, müssen auch alle das Angebot gleichberechtigt nutzen können. Ganz egal, wo sie wohnen. Das ist nicht der Fall. Auch ist es weder sinnvoll noch möglich, einen identisch dichten U-Bahn-Takt in Köln City und Haltern am See City anzubieten. Das sage ich dem persönlichen Wunsch zum Trotz, dass möglichst viele Menschen den ÖPNV möglichst oft nutzen.

Darum lehnen wir Grüne den Zwangsbeitrag der Piraten und den entsprechenden Antrag ab. Wir werden weiterhin für Grüne Mobilität werben im Sinne von „Jederzeit überall einfach hin, sozial gerecht“.

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