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Im ÖPNV muss Sicherheit in all ihren Dimensionen gelten

 

Rede im Landtag Nordrhein-Westfalen zu Tagesordnungspunkt 2, Aktuelle Stunde auf Antrag der Piraten-Fraktion: „Wollen wir Videoüberwachung total? Wollen Teile der Landesregierung den Menschen in NRW Sicherheit nur vorgaukeln?“, Drucksache 16/11753. Es gilt das gesprochene Wort. Hier geht es zur Videoaufzeichnung.

 

„Sehr geehrte Frau Präsidentin / Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es ist kein Zufall, dass die Kolleginnen und Kollegen der Piraten-Fraktion uns in ihrem Antrag direkt ansprechen. Denn wenn es um Grundrechte geht, sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die kompetente Partei. Manche Grundrechte haben wir schon verteidigt, als sie noch nicht allgemein akzeptiert und noch nicht in Gesetzen festgeschrieben waren. Beispielsweise den Umwelt- und Naturschutz, beispielsweise den Datenschutz. Die Bürgerrechtsbewegungen der 70er Jahre waren Anlass zur Gründung unserer Partei, der westdeutschen GRÜNEN. Diese Werte und diese Menschen bilden das Fundament, auf dem meine Fraktion steht, die GRÜNEN im Landtag NRW.

Deshalb begrüßen wir GRÜNE die „Orientierungshilfe Videoüberwachung“ des Düsseldorfer Kreises vom September 2015. Sie ist ein wichtiger Leitfaden für die Weiterentwicklung des Datenschutzes im Öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland.

Weil nicht jeder weiß, worüber sich der Düsseldorfer Kreis Gedanken macht, die Datenschützerinnen und Datenschützer des Bundes und der Länder, möchte ich ein paar Stichpunkte nennen. In dieser Orientierungshilfe für die Videoüberwachung im ÖPNV geht es um

  • die generelle Zulässigkeit der Videoüberwachung,
  • die Maßnahmen vor Einrichtung einer Videoüberwachung und
  • die Grundsätze zur Durchführung einer Videoüberwachung.

Diese Erwägungen werden detailliert vollzogen und weitreichende Forderungen formuliert. Dem wird ein Grundsatz vorangestellt, den auch diese Landesregierung immer vertreten hat und weiterhin vertritt. Wir sagen, jede optisch-elektronische Überwachung des öffentlich zugänglichen Raums muss dem Bundesdatenschutzgesetz und dem Landesdatenschutzgesetz entsprechen. Dies gilt natürlich auch für Bahnhöfe, für Haltestellen, Stadtbahnen und Busse, für alle Anlagen des ÖPNV.

Damit sind wir an dem entscheidenden Punkt. Diese Orientierungshilfe ist eine Seite der ewigen und unverzichtbaren Abwägung des staatlichen Handelns zwischen Freiheit und Sicherheit. Denn eine zweite Seite ist der Wunsch jedes Fahrgasts des Öffentlichen Personennahverkehrs, sein Fahrtziel gesund und ohne unzulässige Einschränkung seiner Grundrechte zu erreichen.

Das ist nicht automatisch gewährleistet. Dazu braucht es Rahmenbedingungen. Die Landesregierung muss dafür Sorge tragen, diese zu gewährleisten. Die Aufgabenträger müssen dafür Sorge tragen. Die Verkehrsunternehmen und deren Beschäftigte müssen dafür Sorge tragen. Die Fahrzeughersteller und -lieferanten müssen dafür Sorge tragen. Nicht zuletzt tragen die Kolleginnen und Kollegen der Bundes- und Landespolizei täglich dafür Sorge, diese Rahmenbedingungen zu gewährleisten.

Deshalb ist es legitim, wenn der Landesverkehrsminister dieser Koalition über Verbesserungsmöglichkeiten im ÖPNV nachdenkt. Es braucht die ständige Beobachtung, Evaluation und Überarbeitung aller rechtlichen und technischen Zusammenhänge, um das komplexe System der öffentlichen Verkehre am Laufen zu halten. Ohne umfassende Sicherheitskonzepte wäre es unverantwortlich, tagtäglich Millionen Menschen quer durch die Republik zu transportieren. Zweifelsohne ist dies auch ein Thema für die Verkehrsministerkonferenz.

Ein Baustein eines Sicherheitskonzepts kann auch die Videoüberwachung sein. Ein Baustein von mehreren. Mehr Personal vor Ort in den Tagesrandzeiten bleibt unverzichtbar. Wo nötig, werden die Wartungs- und Reinigungsintervalle verkürzt. Es gibt das Kompetenzcenter Sicherheit. Es gibt die Datenbank der Zentralstelle für regionales Sicherheitsmanagement und Prävention, in der alle sicherheitsrelevanten Vorfälle erfasst werden. Die Aufgabenträger sind bereits auf vielen Ebenen aktiv.

Wenn man diese Anforderungen an den ÖPNV mit der Orientierungshilfe des Düsseldorfer Kreises zusammen denkt, dann werden schnell einige Punkte sichtbar, über die wir in der heutigen Zeit diskutieren müssen. Genau das tun wir; fortwährend. Ich darf sagen: Wir hätten es begrüßt, wenn sich wie vor 15 Jahren alle Beteiligten, die Datenschutzbeauftragten, die Verkehrsunternehmen, die Verbände zusammengesetzt und gemeinsam eine möglichst konsensuelle Position auch zum Thema Sicherheit und Videoüberwachung im ÖPNV ausgearbeitet hätten.

Es ist kein Geheimnis. Beide Seiten liegen aktuell auseinander, was ihre Sicht der Dinge betrifft. Der Verband der Verkehrsunternehmen fordert die Aufhebung aller Einschränkungen, die Datenschützer fordern eher ihre Verschärfung. Es wäre im Interesse aller und ein positives Zeichen gewesen, diese Klärung zu leisten und dann gemeinsam die stattgefundene technische Weiterentwicklung auf Basis der Erfahrungen der letzten 15 Jahre nachzuvollziehen. Vielleicht gelingt es noch. Wir GRÜNE würden uns darüber sehr freuen.

Diese Diskussion ist aber KEIN Konflikt innerhalb dieser Koalition. Deshalb läuft der Antrag der Fraktion der Piraten ins Leere. Rot-GRÜN lässt sich nicht durch Schaufensterinitiativen der Opposition auseinanderdividieren. Die Bürgerinnen und Bürger lassen sich mit solchen Anträgen nicht beeindrucken. Rot-GRÜN sorgt alltäglich für die Freiheit und die Sicherheit der Bevölkerung des Landes Nordrhein-Westfalen: Die Sicherheit jedes Menschen vor unzulässiger Überwachung und die Freiheit auf informationelle Selbstbestimmung. Dazu stehen wir GRÜNE und die ROT-GRÜNE Landesregierung. Da können Sie sicher sein!

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