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Endlich Probleme lösen statt weiterer Flickschusterei

Kommentar von Rolf Beu, MdL, zum angekündigten Konzernumbau der DB AG und dem „Gelbbuch“ des Vorstandsvorsitzenden Dr. Rüdiger Grube

 

Die Privatisierung der Deutschen Bahn 1994 und deren Entwicklung seitdem ist auch eine Geschichte des Scheiterns. Es ist nicht nur eine Kette von Fehlern, sondern bei der Deutschen Bahn AG liegt der Fehler im System.

Immer wieder zeigt sich in der Praxis, dass diese Aktiengesellschaft im 100-prozentigen Besitz des Bundes in der jetzigen Rechts- und Organisationsform eigentlich nicht zu steuern ist. Dieser öffentlich/privatrechtliche Großkonzern mit seinen diversen Töchtern, mit seinen knapp 300.000 Beschäftigten und 40 Milliarden Euro Umsatz in 2015 hat bislang jedem Versuch widerstanden, ihn fit zu machen für die Anforderungen und Aufgaben des 21. Jahrhunderts.

Stattdessen steigt die Unzuverlässigkeit im Zugbetrieb. Die Gleis- und Bahnhofsstruktur verkommt. Große Ankündigungen zeitigen regelmäßig schmale Ergebnisse. Darunter leidet das Konzernergebnis. Darunter leiden die Beschäftigten. Vor allem jedoch leiden die Kundinnen und Kunden, ob im Personen- oder Güterverkehr. Diese werden häufig genug sprichwörtlich im Regen stehen gelassen. Die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr von 74 Prozent in 2014 spricht Bände. Das heißt: fast jeder vierte Zug fährt inzwischen mit einer Verspätung von über 5 Minuten. Bei Verspätungen bis zu 5 Minuten gilt ein Zug nach der DB-Logik als pünktlich.

Doch statt endlich anzuerkennen, dass nur eine Trennung von Netz und Betrieb und zudem ein wirksamer interner Konzernumbau zum Erfolg führen können, versucht der Konzernvorstand um Dr. Rüdiger Grube mit einer Politik der Nadelstiche, die Konkurrenz auszubooten und aus dem Geschäft zu drängen. Denn leistungsmäßig kann die DB AG offensichtlich nicht konkurrieren. Das zeigen Mal um Mal der Verlust von Strecken an andere Bieter, so beim Wettbewerb um den Rhein-Ruhr-Express (RRX) und zuletzt für das Stuttgarter Netz.

In diesem Verdrängungswettbewerb nutzt die Deutsche Bahn ihre verbliebene Macht voll aus. Dabei fungiert die DB Netz AG als schärfster Pfeil im Köcher des Konzerns. Denn sie bestimmt die Netz- und Trassenpreise auch für alle Konkurrenzunternehmen der Deutschen Bahn. Diese müssen von der Bundesnetzagentur genehmigt werden und sind für alle Unternehmen gleich. Doch immer wieder wird der Verdacht geäußert, dass es Verzerrungen gibt. Man kennt das Problem von der Deutschen Telekom, der „letzten Meile“ und der Preisprüfung durch der Bundesnetzagentur. Diese sogenannten Privatisierungen aus der Zeit der schwarz-gelben Bundesregierung unter Dr. Helmut Kohl in den 1990er Jahren wurden alle geschaffen, um vorrangig den Bundeshaushalt zu entlasten und nicht, weil sie volkswirtschaftlich sinnvoll wären.

Ein zweiter scharfer Pfeil im Köcher der Deutschen Bahn ist die DB Vertrieb GmbH. Sie hat die zentrale Rolle beim Verkauf von Zugtickets in Deutschland und für Bahnkunden, die in das europäische Ausland reisen möchten. Aber zunehmend weniger Tickets von Konkurrenzunternehmen sind erhältlich oder werden anerkannt. Stattdessen werden die Kundinnen und Kunden gezwungen, separate Verkaufsstellen anzusteuern, ob im Internet oder vor Ort.

Letztes Beispiel dafür sind die Tickets für Thalys-Züge. Seit 2013 werden die Tickets nicht mehr durch die DB Vertrieb GmbH verkauft. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 stoppt die DB AG die gegenseitige Ticketanerkennung für Bahncard-Kunden auf den ausgewählten Strecken, wo sie das bislang noch tat. Das trifft zum Beispiel die Pendlerinnen und Pendler zwischen Köln und Aachen. Ohne ein Wimpernzucken werden ganze Regionen von der Deutschen Bahn AG strukturpolitisch geschwächt. Mit dieser Geschäftspolitik, andere Eisenbahnverkehrsunternehmen vorrangig als Konkurrenten zu betrachten, schwächt die DB das Verkehrsmittel Bahn insgesamt. Wer erinnert sich nicht noch daran, dass die DB funktionsfähige, aber nicht mehr benötigte Wagen lieber verschrottete, als sie an andere Eisenbahnverkehrsunternehmen zu veräußern?! Das ist alles sehr kurzfristig gedacht.

Vor diesem Hintergrund erscheinen Meldungen wie jüngst vom Rekordverlust der DB AG in einem besonderen Licht. Ein „Gelbbuch“ macht noch keinen Frühling, die Mühen von Herrn Dr. Rüdiger Grube in allen Ehren. Denn von außen erscheint es eher so, als brauche die Deutsche Bahn einen Vorstandsvorsitzenden vom Typ Moses, der das Meer teilen und den Konzern ins Gelobte Land führen kann. Doch weil solche Menschen selten sind, wäre es vielleicht besser, wenn die Politik in Berlin endlich die Grundsatzfrage erkennt und richtig beantwortet. Die lautet: Immer weiter Herumdoktoren an einem schlechten System – oder neue Wege beschreiten, um Probleme zu lösen?

Diese Lösung kann nur so aussehen: Trennen von Netz und Betrieb, ein unabhängiges Ticketportal für alle Schienenpersonenverkehre und ein Ende der Sonderausschüttungen an den Anteilseigener, damit ausreichend Mittel für die überlebenswichtige Instandhaltung und unumgängliche Modernisierung der Bahninfrastruktur vorhanden sind. Das fordert auch die Monopolkommission der Bundesregierung in einem Gutachten vom Juli 2015. Dort heißt es wörtlich: „Die Monopolkommission geht davon aus, dass im Eisenbahnsektor weiterhin erhebliches Potenzial für die Entwicklung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs und damit einhergehende Wohlfahrtssteigerungen besteht. Um dieses Potenzial zu heben, ist eine umfassende Neugestaltung der Rahmenbedingungen erforderlich, sodass wichtige Wettbewerbshindernisse abgebaut und die stagnierende Entwicklung entscheidend gestärkt werden.“

Davon würden auch die Deutsche Bahn AG und deren Beschäftigte profitieren. Denn irgendwann werden ihr die Pfeile im Köcher ausgehen und dann wird sie sehr hart landen auf dem Boden der Realität. Intelligenter wäre es, schon vorher tätig zu werden; in der Politik in Berlin ebenso wie im Bahn-Konzern. Doch auch dazu äußert sich die Monopolkommission: „Aktuell betätigen sich politische Entscheidungsträger jedoch nicht als Initiatoren für eine erfolgreiche Wettbewerbsentwicklung.“

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